Maximilian Otte – Pop Art - Glanz und Glamour
Von Alis Hoppenrath, M.A. Frankenthal, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "PENG! PopArt & Comic", art2go - art gallery am Stadtplatz, D-67098 Bad Dürkheim, Stadtplatz 8
Popart ist eine Kunstrichtung, die sich in den 50-er und 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte. Den Künstlern ging es darum, mit ihren Werken ein Licht auf die Konsumgesellschaft und ihre Werbemethoden zu werfen. Inzwischen bezeichnet der Ausdruck eher eine Kunstgattung, nämlich Arten von Kunst, die sich mit trivialen Inhalten befassen – das Wort „Popart“ meint dann genau, was es bedeutet, nämlich „populäre Kunst“. Mit Maximilian Otte, Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in Wien, präsentiert die art gallery in Bad Dürkheim einen Maler, der in diesem Genre seine ganz eigene Wirkungsmöglichkeit gefunden hat. Er hat sich ein Massenphänomen des 21. Jahrhunderts herausgegriffen: den Starkult.
Zunächst fällt ins Auge: Glanz und Glamour! Und dass die Werke, zumeist Acrylmalerei auf Leinwand in Quadratmeter-Größe, eine starke Farbigkeit aufweisen. Gleichzeitig ist das Grafische wichtig: Figuren und Gegenstände sind mit schwarzen Konturlinien umfasst. Zu sehen sind Frauen, mit schwellenden Formen, nackten Armen und Beinen, in langen Strähnen fallenden Haaren und stets strahlenden Zähnen im allzeit zum Lächeln bereiten Schmollmund.
Maximilian Otte bietet uns Aussicht auf die Protagonistinnen der Klatschblätter und Fernsehmagazine. Nicht etwa mit Erläuterungen oder in Echtzeit im Film, oder gar als Podcast wie manche sich heute selbst zum Vorbild stilisieren. Sondern als – was?
Keith Haring und James Rizzi, zwei Vertreter einer populären Kunst, haben grafisch gearbeitet. Ihre Figuren waren stilisiert, es handelte sich um Zeichen. Zeichen für Menschen, für Dinge. Zeichen, wie wir alle als kleine Kinder sie gezeichnet haben, ein Strichmännchen, wenn wir einen Menschen meinten. In der englischen Sprache werden diese als „Icons“ bezeichnet. Maximilian Otte präsentiert uns zwar keine Zeichen in dem vorerwähnten Sinne, aber er ist nicht weit davon: er zeigt uns Ikonen, und zwar Stil-Ikonen, Idole. Er nimmt sie aus irgendwelchen Zusammenhängen, auch aus verschiedenen Zeitepochen, und er stellt mit den verschiedenen Figuren Tableaus zusammen. Die heißen dann „Welcome to the Fantasy“, „Pool Party“, „Sissi – Images of a Pop Queen“ oder „Alice in Wonderland“ oder bloss „Wonderland“. Nur selten sind die Bilder so eindeutig aussagefreudig wie das Blatt „Alice in Wonderland # 24“ von 2016. Da gibt es „Today“, also heute, „Anger Management with Naomi“ – also Wut-Management mit dem berüchtigt schwierigen und aufbrausenden Model Naomi Campbell, und diese Veranstaltung im Hotel „Hilton Checkers, Los Angeles“, mit einer sich rekelnden Paris Hilton davor.
Seine Lieblingsstars sind wohl Marylin Monroe und Amy Winehouse. Bei der ersteren hat es ihm anscheinend das berühmte Kleid angetan, bei der anderen die aufgebauschte Frisur. Zahlreiche weitere Frauen aus der Welt der Reichen und Schönen mögen Fachkundige identifizieren können. Tatsache ist, dass der Künstler eine glättende und schönende Maltechnik anwendet, die eine gewisse Wiederholbarkeit und Uniformität von Gesichtern wie auch Körpern erzeugt. Mit minutiöser Genauigkeit führt er Make-up und Fingernagellackierung aus, und ebenso die schwellenden Körper, die ausgiebig hergezeigt werden, ganz wie die Stars und Prominenten es mit ihren getrimmten und operativ optimierten Körpern tun. Frisuren, Kleider und Haare der Frauen folgen etlichen Mustern, sind ansonsten austauschbar. Die Bilder erzählen keine Geschichten, sie zeigen Posen. Die Körper scheinen in einem unbestimmten Raum zu schweben, sich ineinander zu verschlingen, zusätzlich sich in Perlenschnüren zu verwickeln. Accessoires des Star-Daseins wie Handtaschen, Schuhe oder Cocktailgläser, als Gipfel die Selfie-Kamera, begleiten und beleben die Szenerie. Der Glanz der Prominenz wird durch zahlreiche Glanzlichter auf allem, was nur irgendwie glänzen kann, hervorgehoben. Diese lassen übrigens an die bei Sprayer-Künstlern so beliebten „Blinks“ denken. Und noch eine weitere Assoziation stellt sich ein: Hochglänzende Glätte, sowie auch die hochgebauschte Winehouse-Frisur erinnern unweigerlich an die riesigen „Luftballon“-Pudel von Jeff Koons. Oftmals provozierend, bewegt sich seine Kunst an der Schwelle zwischen Kitsch und Kunst. Dies ist auch die Grenze, auf der Maximilian Ottes Popart verortet ist, und zwar mit Werken von großem Erfindungsreichtum und herausragendem Mal- und Zeichentalent. Unter den zahlreichen Leinwänden und Blättern, die in Bad Dürkheim zu sehen sein werden, kann sicher jeder seine Lieblings-Stars finden.
Eröffnungsrede anlässlich der Ausstellung "Welcome To The Fantasy", Showroom des Kunstsalon Perchtoldsdorf, 2380 Perchtoldsdorf, Marktplatz 16
Von Claudia Aigner
Auf Eröffnungsreden steht ja eigentlich eh niemand, auf dieses oberg’scheite Blabla, und deshalb werde ich Sie nicht unnötig lange aufhalten. Außerdem will ich selber so schnell wie möglich von diesem Stockerl runter, weil ich offensichtlich unpassend angezogen bin, aber wo kriegt man schon einen preiswerten Strahlenschutzanzug her? Auf Amazon jedenfalls nicht. Bitte, die wollen allen Ernstes 195 Euro für einen äußerst hässlichen und unvorteilhaften Overall und dann noch einmal 82 Euro 99 für die dazupassende, also genauso hässliche und unvorteilhafte ABC-Schutzmaske. Nein danke. Abgesehen davon, dass zu einer Gasmaske (setze mir ein Partyhütchen auf) ein Partyhütchen total deppert ausschaut. Dabei muss man an diesem Ort wirklich Angst haben, dass man verstrahlt wird. Na ja, bei so viel strahlender Schönheit hier. (Kurze Pause.) Auf den Bildern, meine ich. Auf denen wird obendrein strahlend gelächelt. Die gemalten Frauen sind Gebiss-Exhibitionistinnen wie der Weiße Hai von Steven Spielberg.
Und drum mach ich’s, wie gesagt, kurz und schmerzlos, zumindest halbwegs schmerzlos (ziehe einen Latexhandschuh an), und erklär Ihnen die Kunst von Maximilian Otte am besten anhand von einem (enthülle das Punschkrapferl auf dem Tablett) Punschkrapferl. Das ist nämlich ebenfalls kitschig. Doch Kitsch in höchster Perfektion. Eine kleine heile Welt in Würfelform. Keine Falten, keine Zellulitis, super Figur.
Einmal hab ich den Maximilian gefragt, ob er womöglich ein Perfektionist ist, denn in Anbetracht seiner präzise ausgearbeiteten Bilder hatte ich den starken Verdacht, und seine Antwort war: „Ich fürchte: ja.“ Leugnen wäre ohnedies zwecklos gewesen, oder?
Moment, da fehlt noch was. (Nehme eine kandierte Kirsche.)
(Platziere die Kirsche behutsam auf dem Punschkrapferl. Bin nicht zufrieden, lege eine zweite Kirsche dazu, dann immer mehr und mehr Kirschen, bis sie schon runterfallen.)
Schön langsam artet das in einen Overkill aus.
(Leere Packung auf den Boden werfen.)
Und genau so macht es auch der Maximilian Otte, gebürtiger Wiener, Jahrgang 1978, beim Schmalix hat er an der Akademie der bildenden Künste studiert, nachdem er vorher in die Germanistik und die Theaterwissenschaft reingeschnuppert hatte. Dem sind’s einfach nie genug Kirschen. Quasi. Seine Leinwände sind sehr voll. Da steigen sich alle auf die – perfekt pedikürten – Zechen. Zitat Otte: „Ich hab das Bedürfnis, alles anzufüllen.“ Zitat Ende. Leidet er am End gar an einem Horror vacui? Das ist, nebenbei bemerkt, nicht das, wo man kaum sitzen kann und sich irrsinnig geniert, wenn man sich in der Apotheke eine Salbe dagegen holt, vor allem gegen den nervenden Juckreiz, nein, das ist eine Angststörung, bei der man vor einer leeren Fläche fast schon eine Panikattacke kriegt. Horror vacui: die Angst vor der Leere. Und die hat er definitiv. Weniger ist mehr – wer glaubt diese unsinnige Weisheit? (Das war eine rhetorische Frage. Sonst wäre die Antwort: Die Minimalisten und die Zen-Buddhisten.) Mehr ist mehr. Und voll ist relativ, wenn der Türsteher jemand mit einem Horror-vacui-Problem ist. Selbst wenn nicht einmal mehr ein Stehplatz frei ist, irgendwo kann der Maximilian Otte immer noch einen Tiger, einen Papagei oder ein süßes Hundebaby reinquetschen. Oder einen Schmetterling. (Lege einen Zuckerschmetterling oben aufs Punschkrapferl drauf.)
Oder mehrere Schmetterlinge. (Schütte noch ein paar drüber. Leere Packung auf den Boden werfen.)
Die streut er gern dekorativ drüber oder lässt sentimentale Seifenblasen unbeschwert durchs Glück schweben, als gäb’s kein Platzen. Er übertreibt eben maßlos. Weil wenn schon übertreiben, dann richtig. Alles ist künstlicher als künstlich, die Frisuren sind perfekter als perfekt, die Stöckel höher als hoch, die Menschen fröhlicher als fröhlich, die Lippen glänzen wie kandierte Kirschen und das Wetter ist schöner als schön, denn permanent scheint die Sonne. (Spanne ein Papierschirmchen auf, stecke es seitlich ins Punschkrapferl.)
(Ziehe den Gummihandschuh aus, werfe ihn auf den Boden.)
So. Fertig. Das Punschkrapferl. Nicht die Rede. Die wird vielleicht doch etwas länger als angekündigt. Verstrahlt sind wir sowieso längst. Da kommt es auf zwei, drei Stunden auch nimmer an. Weil mit zwei Sätzen ist es nicht getan. Die würden übrigens lauten: „Girls just wanna have fun“ und „Diamonds are a grirls best friend“.
Keine Panik, ich wollt Sie lediglich ein bissl schocken. Das mit den zwei, drei Stunden war selbstverständlich bloß ein Schmäh. Auf den Bildern rund um uns herum ist ja ebenfalls nicht alles ganz ernst gemeint. Die sind mit einem Augenzwinkern gemalt.
Betrachten tun wir sie aber natürlich mit offenen Augen. Mit beiden. Und dass einem da dauernd irgendwer bekannt vorkommt („Is das ned die Dings, die mit dem Brad Pitt, bevor die Bums mit ihm?), das ist bestimmt kein Zufall. Eh nicht. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen („Und, jö, die Tussi aus Baywatch, wie heißt sie gschwind?“ – „David Hasselhoff.“ – „Nein, die andere.“) sind volle Absicht. No-Name-Gesichter dürfen nämlich gar nicht erst mit aufs Bild oder in den Pool. Oder hässliche. Nur Marken-Visagen. Und unverschämt gut gebaute Körper. Und diese privilegierten Leute altern nicht einmal. Echt gemein. Bleiben ewig jung und knackig, zeigen keinerlei Materialermüdung, und das, obwohl sie anscheinend ihr komplettes Leben durchfeiern und Spaß haben. Party machen. Die kennen keinen Aschermittwoch. Jeden Tag . . . (blase 2 Papierschlangen ins Publikum, dann in einen Luftrüssel).
Das sollten jetzt keine obszönen Gesten oder Anspielungen sein. Die Kunst von Maximilian Otte ist jugendfrei (auch wenn einige Damen angezogen sind wie Prostitussis).
Superstars, Supermodels, super Stimmung. Die Korken fliegen in einer Tour, Schampusflaschen spritzen ab, die Gläser sind immer voll. (Trinke Sektglas ex.)
Die Gläser sind immer voll . . . (Halte das leere Glas dem Assistenten entgegen, der es auffüllt. Trinke es ex.) In dubio Prosecco. Im Zweifel Prosecco.
(Halte Glas noch einmal dem Assistenten hin, aus der Flasche kommt aber nix mehr raus.)
Na dann halt nicht. (Assistent stellt Glas und Flasche auf Boden, hält Weinglas.)
Die Ringe haben diese Superfeschen, ach was: Hyperfeschen, zwar nicht unter den Augen (diese Ringe hätten ohnehin zu wenig Karat), dafür haben sie sie anderswo. An den Fingern. Wo sie hingehören. Überhaupt sind sie über und über mit Diamanten und Perlen behangen, als hätten sie einen Juwelier ausgeraubt – mit vorgehaltener Kreditkarte (der schwarzen American Express Centurion Card aus Titanium).
(Greife in den Hosensack.) Oh, ich hab meine grad nicht dabei.
Das erinnert mich an eine Anekdote über den antiken griechischen Maler Apelles. Einer seiner Schüler hat da auf einem Gemälde die schöne Helena, immerhin die attraktivste, unwiderstehlichste und meistentführte Frau ihrer Zeit, mit Goldschmuck regelrecht überfrachtet, woraufhin der Meister sinngemäß bemerkt: „Aha, du hast sie nicht schön malen können, also hast du sie reich gemacht.“
Beim Maximilian Otte sind die Helenen (bzw. die Pamelas, Jennifers, Rihannas, Marilyns, Kims – äh: Kim Jong-un? Nein, Kim Kardashian), die alle sind jedenfalls reich und schön. Ziemlich unfair, finden Sie nicht? Und die kommen gar nicht in die Verlegenheit, in Würde altern zu müssen. Außerdem: Was heißt „in Würde“? Ab 45 alle Knöpfe zumachen und mit 60 um 9 schlafen gehen? Die Marylin Monroe wäre heute 93 und die feiert da auf den Bildern, als wäre sie 25. Fährt sogar noch Autodrom. Jede kann ungeniert so sein, wie Photoshop sie schuf. Bei uns wird ja jede Botoxspritze dementiert. Und für Schlauchboot-Lippen und XL-Brüste gibt’s, wie’s scheint, eine ganz einfache Erklärung: „Ich hab nur Wasser getrunken.“
Wie nennt man diese Kunstrichtung eigentlich? Pop-Art kommt mir irgendwie untertrieben vor. Super-Pop-Art? Hyper-Pop-Art? Glam Pop?
Und neben all den glamourösen Promis, die sich selbstbewusst und unübersehbar in den Vordergrund drängen, spielt auch sie insgeheim eine Hauptrolle in Ottes Hochglanzwelt. Man findet sie sogar in ausnahmslos jedem Bild, wenn man genau hinsieht und sich nicht ablenken lässt von der Extrovertiertheit der andern Partygäste und -luder. Und damit Sie wissen, wonach Sie Ausschau halten müssen, fertige ich g’schwind eine grobe Skizze von ihr an, gewissermaßen ein Phantombild.
(Zeichne einen senkrechten schwarzen Strich aufs Whiteboard.)
Von der schwarzen Linie. Okay, Ottes Linien sind in der Regel nicht so steif. Und sie wirken femininer, folgen den weiblichen Rundungen. Aber ich hab nie behauptet, ich könne gut zeichnen. Ich bin Kunstkritikerin, hallo? Das bedeutet, dass ich in Wahrheit lieber selber Kunst machen würde, doch zu untalentiert dafür bin und mich deshalb bloß über die Kunst von anderen auslassen kann. Über die tollen Arbeiten vom Maximilian Otte zum Beispiel, der über dieses eindimensionale Ding da (zeige auf meine Zeichnung), über diese Magersüchtige, sagt: „Ich mag das, wenn die Linie die Form hält und begrenzt.“ Punkt. Und was passiert auf den Flächen innerhalb der scharf gezeichneten Konturen? Weiche, feinsinnigste Malerei. Malerei, wohlgemerkt. Das, was man mit dem Pinsel macht. Dem Pinsel mit den Borsten. (Nicht mit dem mit der Luft, mit dem Airbrush.) Gesprayt ist hier nämlich nix. Bzw. mit der Spritzpistole geschossen. Trotz der feinen, nebelig diffusen Farbverläufe.
Überall sinnlich geschilderte Stofflichkeit. Unter der samtigen Haut spürt man die Muskeln, fühlt man den Puls, das wärmende Blut. Mit Bravour meistert Otte das Zusammenspiel zwischen Linie und Fläche, vereint er den grafischen Comicstil mit dem malerischen Realismus. Nicht die Kohäsion hält das Wasser im Tropfen fest, der Umriss ist’s, die Zeichnung lässt gemalte Spritzer gefrieren und lauter winzige lichthell aufblitzende Kreuzln bringen Klunker zum Glitzern und Funkeln, Haare und Lippen zum Glänzen und weiße Beißerchen zum Strahlen.
Früher war ich ja blind für das alles, für diese ganzen Finessen, für die Perfect World According to Otte – und offenbar humorlos. Das zwinkernde Auge hinter der Glätte hab ich schlichtweg übersehen. Ich hab eine alte Kritik gefunden, die ich für die „Wiener Zeitung“ im Jänner 2007 über eine Gruppenausstellung verfasst habe, und da schreib ich über ein Bild von Maximilian Otte folgende grenzwertige Worte: „Den scheintoten Modelzombie von Maximilian Otte (eine „Barbie silicona“, Fran-Ken-steins Braut) kann aber wohl nicht einmal mehr ein Tabakrauchklistier (ein uraltes Erweckungsmittel) lebendig machen.“ Das sagt, glaub ich, mehr über mich aus als über die Kunst von Maximilian Otte. – Tabakrauchklistier.
Inzwischen hab ich eine neue Brille (mit neun Dioptrien) und bin ein großer Fan.
Anfangs hat Otte ausschließlich die Madonna gemalt. Die Queen of Pop meine ich, die 2012, noch mit 54, singen konnte „I’m a different kind of girl“, Betonung auf Girl, nicht die Queen of Heaven, die christliche Himmelskönigin, der die Maler und Bildhauer aber ebenso verboten haben zu altern. Die in so gut wie jeder Pietà ausschaut wie die kleine Schwester, nicht wie die Mutter. Zitat Otte (und das bezieht sich auf die singende und ihre Jugend selbstbestimmt konservierende Madonna): „Die kannalles, die macht alles, aber das muss nicht immer auf Talent fußen. Wenn die heute auf den Mond fliegen würde, würden alle sagen: Wundert mich überhaupt nicht.“ Zitat Ende. Also ich finde, um auf den Mond zu fliegen, dazu braucht man schon viel Talent. Ich könnte das nicht. Irgendwann war ihm dann freilich ein „Material Girl“ nimmer genug.
Ungefähr wie bei einem Casting läuft das immer ab, bevor er mit einem Bild beginnt. Nur dass seine Leinwandstars (er malt ja meist auf Leinwand – oder: Molino, Acryl auf Molino), nur dass die nicht persönlich zum Vorsprechen vorbeikommen müssen. Die dürfen ruhig alle im Internet bleiben oder im Fernsehen oder in den Klatschzeitschriften, der Maximilian Otte (Zitat: „Ich seh mich da als Regisseur.“ Zitat Ende) braucht von ihnen sowieso nicht viel mehr als das Gesicht und das Image. Für den Körper und die Posen besucht ihn ein leibhaftiges Modell. Was nicht heißt, dass er mit dem Pinsel nicht da und dort anatomisch nachbessern würde. Er verlangt von seinem Modell sicher nicht, dass es viel Wasser trinken muss.
Lana Del Rey, die unlängst ihre Europatournee absagen hat müssen, weil sie ihre Gesangsstimme komplett verloren hat und ihr die Ärzte vier Wochen Schweigen verordnet haben, Tschuldigung: vier Wochen Ruhe, die hätte im Land vom Zauberer von Otte, falls sie die Stimme nicht wiederfinden sollte, einen Plan B, nämlich einen Hundesalon. In dem wird erstaunlich viel gepinkelt. Die Pudeldame, die grad gestylt wird, pinkelt gleich einmal die Chefin an. Nein, umgekehrt: die Chefin die Pudeldame. Damit.
(Zeige das Flaschl mit dem pinken Nagellack.)
Mit Nagellack. Lackiert ihr die Krallen pink. (Flaschl einstecken.) Woher ich weiß, dass der Pudel ein Weibchen ist? Hat der Maximilian Otte, der sehr detailversessen ist, ein gewisses Detail besonders genau nicht gemalt? Blödsinn. Dort würde ich doch nie hinschauen. Das muss vielmehr deswegen eine Pudelin sein, weil Männchen vermutlich erstens nicht so auf pinken Krallenlack stehen und die Amy Winehouse dem Hund zweitens ein dermaßen üppiges Geschmeide umhängt, dass jeder Rüde bellend davonlaufen würde. Andererseits, wenn man dafür von Pamela Anderson die Locken geföhnt kriegt . . .
Die Arbeitskittel sind rosarot, der Vorhang, die Lippen und Nägel von Lana, Pamela, Amy, Britney und Paris. Pink ist geradezu die Leitfarbe in Ottes poppiger Welt. Na ja, und Swimmingpoolblau. Pool-Partys sind immerhin seine Spezialität. Der Pool ist so etwas wie ein flüssiger Himmel, ein exklusives irdisches Paradies ohne Probleme und ohne Männer, aber mit Chihuahuas und Zebras, die sich an der Wasserstelle sonnen, ein Jungbrunnen, wo man im gechlorten Glück plantscht und die Getränke gratis sind. Und wenn’s regnet, dann Geldscheine.
Und damit Sie sich jetzt nicht gänzlich ausgeschlossen fühlen und wenigstens ein bissl am Glück der Reichen und Schönen teilhaben können . . .
(Ziehe Wasserpistole aus meinem Hosenbund.)
Diese Wasserpistole ist nur außen pink. Oder magentafarben. Innen drin ist sie paradiesblau. Quasi. Jedenfalls enthält sie Wasser aus einem Swimmingpool. Möglicherweise stammt es auch lediglich aus einem Wiener Hallenbad und nicht aus Pamela Andersons Pool in Malibu. Oder vielleicht bloß aus einer Badewanne aus dem neunten Wiener Gemeindebezirk. Oder aus einem Wasserhahn aus Perchtoldsdorf. Ist im Grunde eh wurscht. Der Titel der Ausstellung ist „Welcome to the Fantasy“. Um die Realität geht’s hier nicht. Stellen Sie sich halt einfach vor, in diesem Wasser wäre Pamela Anderson geschwommen. In einem roten Badeanzug und mit einer roten Rettungsboje. (Richte die – leere – Pistole aufs Publikum und drücke mehrmals ab.)
Und das Wasser müssen Sie sich ebenfalls vorstellen.
(Stecke die Kanone wieder in den Hosenbund.)
Fantasy. Also Phantastischer Realismus im Pop-Art-Stil sozusagen. Tagträume, bei denen die Handlung frei erfunden ist. Manchmal allerdings nach einer wahren Begebenheit. Wie die Serie „I Don’t Know Her 1 bis 4“. Die Teile heißen alle gleich und nicht etwa: „I Don’t Know Her – Ein guter Tag, um sie nicht zu kennen“, „I Still Don’t Know Her“, „She Doesn’t Know Me Either“ und „If I Knew Her, I Would Forget the Bitch“. Der Bruce Willis darf schließlich nicht mitspielen.
2003 hat Mariah Carey, das ist die mit den fünf Oktaven in der Kehle, ein denkwürdiges Interview gegeben. „Ich liebe Beyoncé. Beyoncé ist fantastisch. Sie komponiert gute Songs und ist eine exzellente Sängerin. Außerdem ist sie eine sehr süße Person. Very sweet.“ Interviewer: „Und was ist mit J. Lo?“ – „I don’t know her.“ Und dabei hat sie unschuldig gelächelt. Seither wurden jede Menge T-Shirts mit dem Spruch bedruckt, und es würde mich nicht wundern, wenn er sogar auf dem Stern stehen würde, den die „unbekannte“ J. Lo, die Jennifer Lopez, 2013 auf dem Hollywood Walk of Fame bekommen hat.
Maximilian Otte baut nun in seine Pool-Party, auf der Naomi Campbell Britney Spears unter Wasser drückt (Zickenkrieg) und Kim Kardashian auf ihrem eigenen Planeten Ego lebt und ein Selfie von sich macht, eine kleine Gehässigkeit ein. Die Rache der Diva. J. Lo versteckt sich hinter Mariah Carey und (pflücke eine Kirsche vom Punschkrapferl) lässt heimlich eine Kirsche in deren Cocktailglas plumpsen (esse die Kirsche).
In Teil 2 baden zeitlose Filmikonen und Sexgöttinnen in ihrer ewigen Jugend und ihrem unvergänglichen Sexappeal: Marilyn Monroe, Brigitte Bardot, Liz Taylor, Audrey Hepburn, Romy Schneider. Und Sophia Loren lernt Jayne Mansfield genauso kennen wie dereinst auf ihrer Willkommensdinnerparty, die Paramount Pictures für sie gegeben hat. Das berühmte Foto von dieser ersten Begegnung (die Loren erwartet bangen Blickes auf das berstende Dekolletee ihrer Tischnachbarin ein veritables Nipplegate oder dass gleich zwei Fleischbällchen, ach was: zwei Fleischbasketbälle auf ihren Teller kullern), das hat Otte ins Chlorwasser hineinzitiert und der Seitenblick aus dem Augenwinkel heraus scheint eher der mindestens genauso protzigen Halskette zu gelten.
Teil 3 ist leider nicht ausgestellt. HC Strache in der Ibizavilla. A b’soffene G’schicht mit der unbekannten Oligarchennichte außerhalb vom Bild. Umso bekanntere Ladys, die sicher auch Nichten von irgendwem sind, crashen die Party: Pamela Anderson, Anna Netrebko, Prinzessin Leia, und Conchita Wurst liest schockiert in der „Kronen Zeitung“, dass Helene Fischer . . . doch nicht als Nichte in Frage kommt. Ein Sittenbild voller Seitenhiebe und hinterfotziger Einfälle. Teil 4 (wieder ausgestellt): die aktuellen Gesangskünstlerinnen, die man kennen sollte, wenn man up to date sein will, und für die ich sichtlich bereits zu alt bin, um sie zu kennen. Rihanna schaff ich grad noch. Und Miley Cyrus erkenn ich an der rausgestreckten Zunge. Aber wer ist die ganz vorn mit den rosa Haaren? Hm. Als Hinweis auf ihre Identität trägt sie eine Plakette: „I sang with Madonna.“ Ist ja wie bei einem Ratespiel. He, praktischerweise hat sie ein Namensketterl auf ihrer rechten Pobacke: Nicki. Die einzige singende Nicki, die mir etwas sagt, hatte Mitte der 80er Jahre den Hit „Weil i immer no an Engerl glaub“. Eventuell kennt Google sie ja. Aha, Nicki Minaj (Minaasch). Das ist sie! Und weil sie mir gleich als Erstes vorgeschlagen worden ist, ist das offenbar die berühmteste Nicki der Welt. I stilldon’t know her.
Nicht immer herrscht so ein Gedränge, manche Stars haben das Bild auch für sich allein. Amy Winehouse (trinke den „Rotwein“ ex, leeres Glas zurück an Assistenten), die an einer Alkoholvergiftung gestorben ist, räkelt sich in einem Londoner Luxushotel zwischen leeren Weingläsern auf dem Boden, und sogar nachdem sie im Suff anscheinend ihr Zimmer ein bissl verwüstet hat, ist ihr Make-up dennoch nicht verschmiert. Und Audrey Hepburn muss sich als Partygirl Holly Golightly die Aufmerksamkeit des Betrachters nur mit ihrem kongenialen Filmpartner aus „Frühstück bei Tiffany“ teilen: mit dem Kater.
Haben Sie sich auch schon gefragt, warum „Frühstück bei Tiffany“ (zeige auf die DVD-Hülle) erst „ab 16 freigegeben“ ist? Warum dieser nette Film ohne explizite Sex-and-Crime-Szenen dieselbe Altersfreigabe hat wie „Rambo I“, „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“ und „9 ½ Wochen“? Zuerst hab ich gedacht, ich hätte mich verschaut, und in Wahrheit stünde auf der DVD-Hülle „ab 6“. (Obwohl: Am Ende wird ein süßes Kätzchen brutal im Regen ausgesetzt.) Inzwischen hab ich eine Vermutung. Und wenn sie stimmt, ist „ab 16“ mittlerweile sogar noch zu wenig streng. (Nehme die DVD aus der Hülle und schiebe von hinten eine Zigarette durchs Loch in der Mitte.)
Aus irgendeinem Grund muss ich jetzt an dieses Tabakrauchklistier denken.
In den 110 Filmminuten (und in jeder raucht irgendwer) werden jedenfalls locker zwei Packln Tschick inhaliert. Und Zigaretten sind bekanntlich neuerdings erst ab 18 erlaubt.
Okay, die Audrey Hepburn hat so ein Stangerl, mit dem sich die Raucher vor diesem schädlichen Passivrauch zu schützen versuchen, weil vom Passivrauch kriegt man Krebs. Ihren Passivrauch-Abstandhalter meine ich, den Zigarettenspitz. Sie raucht zumindest Glimm am Stängel. Trotzdem könnte das für die Fernsehzuschauer schädlich sein. Keiner kann die Folgen des platonischen Passivrauchens wirklich abschätzen. Oder gibt’s Studien dazu?
Die Kaiserin Elisabeth war ebenfalls Raucherin. Ihr Porträt als Elfenkönigin Titania aus Shakespeares „Sommernachtstraum“, ihrem Lieblingsstück, sollte man sich also besser erst ansehen, wenn man über 18 ist. Auch wenn die österreichische Lady Di eh brav aus dem – gemalten – Fenster raustschickt. Ausnahmsweise hat Otte einmal keinen Promi jenseits vom Großen Teich oder vom Ärmelkanal „engagiert“, sondern einen von diesseits des Weißwurstäquators: die Sissi. Die Kaiserin von Österreich mit bayerischem Migrationshintergrund. Und die wird diesmal nicht von der Romy verkörpert oder vom Bully Herbig, nein, erstmals spielt sie sich selbst. Bzw. die Kaiserin Elisabeth spielt die Sissi. Und die ist nicht einfach ein Star, die ist ein ganzes Sternbild – mit ihren Diamantensternderln im Haar. Und während die montiert werden, steckt der Teufel im Detail, Tschuldigung: die Schwiegermutter steckt im Detail. Oder eigentlich stecken Dartpfeile in der Schwiegermutter. In deren Porträt an der Wand. Vilma Degischer. Die Film-Schwiegermutter von der Romy-Schneider-Sissi.
Otte, der die Sissi zur glitzernden Pop-Queen aufmotzt, zur Kaiserin von Bling-Bling, macht eben nicht bloß andere unermesslich reich, er ist selber reich: einfallsreich. Und er recherchiert gründlich. Hat Sissis Gesicht aus den wenigen historischen Fotografien und Gemälden, auf denen sie drauf ist, rekonstruiert. Ihre Wachsfigur bei der Madame Tussi (oder wie man die ausspricht; ich kann kein Französisch) hat ihm auch sehr geholfen. „Ich hätt’ sie schon gern in fröhlichen Szenen gemalt“, sagt er, „aber es gibt kein einziges Bild, auf dem sie lacht. Das muss ich akzeptieren.“ Ein echter Gentleman. Er zwingt sie nicht einmal dann, den Mund aufzumachen, wenn er sie mit einer Kaisersemmel füttern will, die mit einem fettigen Schnitzel gefüllt ist. Nachdenklich darf die diätsüchtige Kaiserin innehalten, und derweil kann man ihr von den geschlossenen Lippen förmlich die Frage ablesen: „Soll ich reinbeißen oder muss ich mir nachher zwei Finger in den Hals stecken und drei Stunden aufs Reck?“
Was ist schon ein Stern auf dem Walk of Fame? Geschafft hat man es erst, wenn das Konterfei von einem auf Schokotalern prangt. (Zeige Sissi-Taler.)
Die heimliche Regentin von Ottes Welt, seine Muse, ist aber eindeutig eine andere. Pamela Anderson. Das, wo die Männer bei ihr immer als Erstes hinschauen, sind ja ihre zwei großen . . .
(Zeichne aufs Whiteboard zwei blaue Augen.)
Und Otte hat sie blauer als blau gemacht, dass der Blick hineinspringt wie in zwei Swimmingpools. Wobei, ihre üppigen . . . (zeichne schwarze Wimpern dazu) Wimpern sind ebenfalls ziemlich eindrucksvoll. Abgesehen von anderen Attributen, von denen sie behauptet, die hätten eine glanzvolle Karriere gemacht und sie selbst wäre einfach nur so mitgetrottet. Als Alice hat der Maler sie vor ein paar Jahren durchs Wunderland „Hollywood“ stolpern lassen. Zitat Otte: „Die passt super hinein, weil sie sich selbst aus Silikon, Wasserstoff und viel Schminke geschaffen hat.“ Zitat Ende.
„Alice im Wunderland“, das ist doch diese Geschichte über einen Drogentrip, wo eine ständig irgendwelche halluzinogenen Kekse und Pilze einwirft und sich ansauft, bloß weil auf der Flasche „Trink mich!“ steht, oder? Und wie kann man Johnny Depp als verrückten Hutmacher noch toppen? Na ja, mit Lady Gaga als Hutmacher-in, die völlig gaga ist. Hier ist das Wonderland jetzt ein Casino, ein anderes Paralleluniversum. Im richtigen Leben war Pamela Anderson fünf Mal verheiratet, das letzte Mal heuer vom 20. Jänner bis zum 1. Februar mit dem Produzenten Jon Peters, im exotischen Dschungel-Paradies, das Otte für sie erschaffen hat, in der Flamingo Lagoon, ist sie eine Single-Eva, die keinen Adam braucht, um Spaß zu haben. Jede weitere Ehe wäre ohnedies Bigamie. In den Köpfen der Leute ist sie von ihrer roten Rettungsboje ja nie rechtskräftig geschieden worden. Hat er „Baywatch“ geschaut, der Otte? Antwort: „Hat jeder.“
Nicht überraschend, dass die Pamela auch die Hauptattraktion in seinem Vergnügungspark ist, in dieser Weltflucht-Oase der eskapistischen Spaßgesellschaft. Das „Pam-Opticon“ ist ein bissl wie die Telefonzelle vom Dr. Who. Drinnen ist es wesentlich größer. Da hat ein komplettes Universum Platz. Unendliche Weiten voller Pamelas. Um nicht zu viel zu verraten: Wer reingeht, wird garantiert die Zunge rausstrecken und ein Selfie machen. Und der Pamela notgedrungen woanders hinschauen als in die Augen. Sie hat nämlich eine dunkle Sonnenbrille auf.
Bin ich eigentlich eine schlechte Feministin und sollte mich was schämen, weil ich Maximilian Ottes Bilder geil finde? Sind die nicht irgendwie sexistisch? Nein, wieso? Seit wann ist es sexistisch, wenn alle Frauen reich, schön und berühmt sind? Gut, die Männer könnten sich diskriminiert fühlen. Die sind, wenn sie überhaupt vorkommen, höchstens Accessoires wie Barbies Ken.
So, und dieses Punschkrapferl sagt schon die ganze Zeit: „Iss mich!“ (beginne, es mit dem Kuchengaberl zu verputzen), und mit vollem Mund spricht man nicht.
MAXIMILIAN OTTE ZUR POSITION
Von Dr. Kolja Kramer (Kolja Kramer Fine Arts)
Ästhetizismus, Schönheitsideal und Images einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort, Glanz und Glamour: nicht nur im selbst kirchlichen Barock, sondern auch vor und nach dieser Zeit gab es kunstgeschichtlich gesehen viele Strömungen, in denen Prunk und viel Bling Bling zelebriert wurde. Noch im Historismus und in Bildern eines Hans Makart oder auch in so manchen Gustav Klimts wurde in jener goldenen Zeit Wiens das Üppige, das Opulente gefeiert.
Im Unterschied zu den sogenannten „Naturalisten“, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts Natur abbilden wollten, waren die Wiener „Stilkünstler“ einem geistigen und ästhetischen Ideal zugewandt. Gemäß diesem versuchten sie nicht, sich Mensch und Natur realistisch zu nähern, sondern eine Kunst der Stilisierung gemäß ihrer Vorstellung zu schaffen. Dadurch bekam diese Kunst auch jenen akzentuierenden, konturieren- den, ornamental-künstlichen Charakter, der im Gegensatz zur bloß nüchternen Abbildung und Weltbetrachtung stand. Während der Ästhet Klimt – der nicht nur aus dem Historismus, sondern auch aus dem Traumwelten erschaffenden Symbolismus kam – Mythologisches, Biblisches, Allegorisches, aber auch tief Erotisches, Psychologisches verarbeitete, belässt es der Wiener Maler Maximilian Otte in der Regel in seinem Ästhetizismus beim Thema der äußerlich schönen und beschönigten flachen Selbstdarstellung zugunsten eines möglichst perfekten Images von vornehmlich weiblichen Superstars, Pop-Ikonen in ihrem glitzerndem Umfeld. Von diesem Thema ausgehend, das zu breiteren Teilen der Gesellscham leicht Brücken schlägt, kann dann weiterführend nach wichtigen Inhalten des menschlichen Daseins gefragt und diese Fragen interpretatorisch weiterentwickelt werden.
Zeigt seine Kunst Wirklichkeit oder Ideales? Maximilian Ottes Kunst zeigt beides: sie bildet Personen ab, die sich bereits in der Wirklichkeit ihres Daseins künstlich-idealistisch überhöht haben. Dass dabei das Äußere eine zentrale Rolle spielt, liegt nicht nur bei Ottes Kunst auf der Hand. Gelegentlich hilft hier Maximilian Otte auch noch etwas nach, indem er im Äußeren noch zusätzlich übertreibt. Besonders diese Überzeichnungen sind es, die den Drang nach Perfektion, nach möglichst idealer Präsenz eines Images, besonders auf den Punkt bringen.
Dieses Charakteristikum der Suche nach ewig jugendlicher Schönheit teilt Maximilian Otte mit so vielen KünstlerInnen der Kunstgeschichte, wie nicht zuletzt den alten Griechen, Römern, und beispielsweise auch noch den JugendstilkünstlerInnen. So viele der kunsthistorischen Anhänger der verschiedensten Ausprägungen von Idealismus und Ästhetizismus, und so auch Maximilian Otte, teilten die Liebe zur Schönheit, den Traum von Glück und Sorglosigkeit, und haben sich in ihrer Kunst diesen Welten hingegeben. Nur zu gut wissen wir, dass es sich bei diesen künstlichen Idealvorstellungen um das Festhalten eines an sich flüchtigen Moments handelt, der in der Fokussierung auf Form und Äußeres wenig über Inhalt und Inneres und Substanz preisgibt. Wir spüren, dass es sich um erwachsene Weltflucht, um Nicht-Wissen-Wollen für einen kurzen Moment handelt – oder anders gesagt: um die Ebene der Schönen Künste. Nicht zuletzt findet auch deshalb der im Leben nach Glück suchende Ritter im Beethovenfries (1902) von Gustav Klimt in der Wiener Sezession schließlich seine Erfüllung in der Welt der Kunst.
Die Figuren Ottes, seine Diven, Supermodels, Film- und Musikstars verweisen in der Regel auf nicht viel mehr als auf das Image ihrer selbst, an deren Erschaffung und Pflege sie meist maßgeblich auch selbstbeteiligt waren. Oftmals kennt man bis heute auch nur dieses eine geschaffene Image von ihnen – gleich der Sissi, die als die schönste Frau ihrer Zeit vermittelt wurde, die aber auch kaum Bilder von sich verbreiten ließ, auf denen sie älter als dreißig Jahre jung gewesen ist, obgleich auch sie älter und schließlich einundsechzig Jahre alt wurde. Noch bis heute kommen einem nur diese Bilder der jungen Sissi in den Kopf, wenn man an Sissi denkt; ihre Imagepflege war also äußerst erfolgreich. Gepflegt wurde dieses Image nicht nur durch intensive Haar-, Gesichts- und Körperpflege, sondern auch durch regelmäßiges Fitnesstraining und Mode, Accessoires und andere der schönen äußeren Erscheinung zutragenden Gegenstände und Handlungen. Die bewusst gesteuerte Vermittlung von Geschichten und Bildern spielt eine wesentliche Rolle für das Entstehen und vor allem Bewahren von Images. Gegenüber der äußeren Form stand der Inhalt, das Innere im Hintergrund. Dass es Sissi oft gar nicht so gut ging, war für das Bild von Sissi irrelevant, ja sogar schädlich. Unschöne oder unbeschönigte Aspekte hatten keinen Raum in der Konzentration auf ideale Welten und wurden um jeden Preis auch von ihr selbst versteckt.
Stil und Technik
Maximilian Otte ist kein Freund des Minimalismus – weder in Form, noch in Farbe. Er sucht das Üppige, das Opulente, das Viele, das für ihn weit mehr Nähe zum tatsächlichen Leben hat als die Reduktion. Das Phänomen des „Horror Vacui“ zeigt sich in nahezu jedem Bereich seiner vielen Bilder.
Und ebenso wie die reiche Fülle an Details seine Arbeiten dominiert, ist ein Werk von Maximilian Otte ohne viel bunte Farbe, die innerhalb der strengen, meist dunklen Konturen umso deutlicher und poppiger leuchten, kaum denkbar. Farblich derart umgesetzt spiegeln seine Bilder Lebenslust und frohe Lebensmomente wider. Die Komposition, obgleich reich an Details, tendiert dem gegenüber eher zu klar organisiertem Bildaufbau, der sich sehr klassisch an der Vertikalen, der Horizontalen und der Bildmitte orientiert. Immer wieder wird dieser Bildaufbau aber auch mit Diagonalen dynamisiert.
Schon vor seiner akademischen Laufbahn zeichnete Maximilian Otte viel Kontur, die er dann mit Aquarell farbflächig ausfüllte. Die Betonung von Linie und Fläche spielt bei Maximilian Otte eine ähnliche Rolle wie beim Japonismus, in den unzähligen Ukiyoe Farbholzschnitten eines Kunyoshi, Utamaro, Hiroshiges, Kunisada, Hokosai oder Kunichika, aber auch beispielsweise bei Pierre Bonnard, Maurice Denis, Felix Valloton oder Vuillard, der Schule der Nabis und den Beteiligten der La Revue Blanche. Auch beispielsweise die Arbeiten von Audrey Beardsley, Alfons Mucha und auch viele Bilder Gustav Klimts zeigen eine deutliche Betonung der begrenzenden Linie, innerhalb derer sich die jeweiligen Flächen befinden.
Während der Kontur in der Malerei Ottes zwar vielfach ähnliche Wichtigkeit gegeben wird, wie auch bei so manchen Pop Art Künstlern wie Andy Warhol, Tom Wesselmann oder Roy Lichtenstein, so bleibt die Fläche bei diesen tendenziell etwas flacher als bei Otte. Durch seine dreidimensionale, farbliche Modellierung der Farbflächen innerhalb der Kontur, haucht Otte seinen Portraitierten etwas Körperlichkeit und warme Lebensnähe ein – ganz im Gegensatz zu den doch meist eher grafisch und flach bleibenden Comics. Würde er die Kontur weglassen, wäre der Eindruck des Comichaften, des stilisiert- künstlich Gemachten weit weniger. Seine Figuren stünden „naturgetreuer“ da. Diese Modellierung der Flächen – durch Hell und Dunkel, hohe und tiefe Regionen, vorne und hinten – wird in der Malerei von Maximilian Ottes meist mittels Farbaufhellung und -verdunkelung erreicht, welche die Fläche zu einem Teil eines dreidimensionalen Körpers modelliert. Die malerisch gestalteten Einzelflächen innerhalb der Konturen sind dabei in sich farblich reduziert. Farbliche Beimischungen oder andere Untergrundfarblegungen neben der Hauptfarbe, wie so manche Alte Meister es zur Modellierung taten, gibt es bei Otte innerhalb der Grenzlinien eher nicht: Wenn er blau schattiert, dann nur in Blautönen; wenn er grau modelliert, dann nur mit grauen Farben.
Diese Technik innerhalb der Fläche und der harten Kontur um sie herum ist charakteristisch für Maximilian Otte und setzt ihn vom Japonismus und den anderen oben Genannten flachen „Stilisten“ und Pop-Art Künstlern ab.
Entstehungsprozess
Während Maximilian Otte früher auch Tuschezeichnungen machte, malt er heute doch meist in Acryl auf Papier oder auf Molino. Er hat zunächst autodidaktisch begonnen und nach seiner Aufnahme an der Akademie der Bildenden Künste Wien seine Technik perfektioniert. Hubert Schmalix, sein Lehrer an der Wiener Akademie, legte großen Wert darauf, dass Otte genau das malt, was er wollte und sich nicht zwang, andere Themen oder Malweisen zu verfolgen. Weitere direkte Mentoren und Künstler, die Einfluss auf seine Arbeit genommen haben, waren Peter Dressler und David La Chapelle.
Bevor Otte sein Gemälde malt, entsteht es nahezu komplett im Kopf des Künstlers. Wichtig ist dann die Arbeit mit einem Modell, das meist für seine Figuren übrigens dasselbe ist, wodurch sich auch die Körper der abgebildeten Frauen sehr ähneln. Mit dem Modell wird die jeweilig geplante Szene nachgestellt und fotografiert. Die Fotos zeigen dann die vorab gut überlegten Posen. Maximilian Otte kann auf diese Weise auch ganze Gruppen von Figuren digital zusammenstellen, inszenieren und so seine Kompositionen erschaffen. Die Details der Gesichter übernimmt er dann meist von Fotos der Prominenten aus dem Internet und collagiert sie hinzu.
Stars und Imagekult
Konträr zu seinem Stil, der das Viele betont, ist Maximilian Otte in seinen Themen reduzierter. Trotz der Wiederholung weniger Themen setzt er sie doch malerisch immer wieder neu um. Seine Superstars und Pop-Ikonen sind wie jene künstlich erschaffenen Comic-Prototypen: Superheldinnen wie Catwoman, Supergirl und Wonder Woman. Aus dem Phänomen der spontan begeisterten Initialzündung „Wow ist das beeindruckend, wow ist das schön!“ entstehen viele Ideen seiner Bilder. Ob es schöne Menschen, besondere Kleidung, blinkende Accessoires, blitzende Steine, Schmuckstücke oder sonstige beeindruckende Gegenstände sind – der Künstler sieht und selektiert sie aus der Vielfalt des Lebens heraus und setzt sie in Malerei um.
Erstmals hat er sich als Schüler mit zwölf Jahren seinen Pop- Figuren zugewandt. Sein künstlerischer Werdegang begann also genau mit jenen Pop-Stars, mit denen der Künstler sich noch heute beschäftigt. Als Jugendlicher hatten diese Figuren beziehungsweise die Images der Figuren noch einen viel stärkeren Reiz hinsichtlich der Vermischung von Person und Image. Berühmtheiten wie Julia Roberts und Cindy Crawford fand Otte besonders schön. Frauen nimmt Otte als besonders ästhetisch und zart wahr, was wichtige Elemente sind, die ihn für seine Kunst reizen. Relevant sind dabei aber ausschließlich Persönlichkeiten, deren Image neben oberflächlichem Highlife, vor allem auch auf Stärke, Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit beruht. In jüngster Zeit beschäftigte sich Otte gerne mit starken Persönlichkeiten wie Lana del Rey oder Nicki Minaj.
Obwohl wir seine porträtierten Menschen der Öffentlichkeit nicht persönlich kennen, haben wir zu den meisten eine Meinung. Genau dieses Phänomen findet Otte höchst interessant. Auf die Frage, ob er diese Ikonen gerne treffen würde, antwortet er selbst mit einem klaren „Nein“, denn die schöne Illusion, die er sich ja selbst geschaffen hat, würde dadurch verschwinden.
Dass sich Menschen überhaupt mit den Themen der zeitgenössischen Superheldinnen, den Models, Musikstars und Schauspielerinnen beschäftigen, empfindet der Künstler als lustig. Und er beteiligt sich auch selbst daran und macht sich daraus ein Spiel, wenn er seine Prominenten ganz wie es ihm gefällt inszeniert.
Der Witz hat für Otte einen Raum in der Kunst. Auch Ironie darf es bei Otte geben, ohne dabei aber die tatsächliche Freude am Witzigen oder an der Ironie im Zynismus oder Sarkasmus zu verlieren. Unbedingt etwas Neues in der Kunstgeschichte zu schaffen – ein wichtiges, weit verbreitetes Diktum der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts – hat bei Otte keine Priorität. Er beschäftigt sich gerne auch mit schon Dagewesenem. Bewusst bekennt er sich inhaltlich, aber auch formal zur Pop-Art, gerne malt er auch Retro-Celebrities aus den 1960ern bis 1990ern. Auch eine wissenschaftliche Herangehensweise an seine Kunst ist für Otte nicht wichtig, vielmehr geht es ihm um zunächst leicht Erfassbares. Seine Figuren haben dementsprechend großen Erkennungswert. Um seine Bilder verstehen zu können, muss man für den Einstieg kein Kunstexperte sein oder über spezielle Hintergrundinformation verfügen. Dadurch baut er, wie schon die Pop-Art der 1970er und 80er, Brücken zum Publikum und schafft einen nicht-elitären Zugang für breite Teile der Gesellschaft, der eine erst spielerische, aber dann potenziell tiefere Auseinandersetzung mit seinem Thema erleichtert.
Wenn auch aufgrund der US-amerikanischen Dominanz in der Pop-Kultur seiner Kindheit und Jugend während der 1980er viele US-amerikanische Elemente und „Miami-Vice“ und „Denver-Clan-Ästhetik" in seiner Kunst zu sehen sind, so erinnert der Hang zum Bling Bling aber auch an sein heimisches Alltagsumfeld in der noch immer so imperial wirkenden Stadt Wien: Blinkende Luster und anderer Prunk, der in vielen Wiener Stadtpalästen, der Hofburg oder in manchen Wiener Caféhäusern seit langer Zeit und bis heute allgegenwärtig ist.
Kaiserin Sissi
Bis zu seiner Sissi-Serie von 2018 malte Maximilian Otte kaum heimische, regional-österreichische Stars, da der amerikanische Imagekult für ihn spannender ist, weil dort meist noch exzessivere Inszenierung gepflegt wird als in Österreich.
Wie Madonna und Pamela Anderson, wollte aber auch Sissi entgegen Alter und menschlicher Natur ein idealisiertes Image zeigen. Sissi, jene Sissi also, so wie wir sie heute immer noch vor Augen haben, ist somit eine geschaffene Kunstfigur im für österreichische Verhältnisse außergewöhnlichen Ausmaß. Das erste Indiz dafür ist schon der veränderte Name, denn eigentlich hieß sie Elisabeth. Sie war ihre eigene, beste PR-Beraterin und wusste, dass sie mit ihrem Aussehen wirken konnte, das sie auch deshalb dementsprechend besonders pflegte und inszenierte. Noch heute ist sie überall in Österreich auf Postkarten, Plakaten und Merchandising-Artikel zu sehen, selbstverständlich ausschließlich im ewigen jugendlichen Alter. Sissi war in ihrer Zeit sehr populär, als moderne und schönste Frau ihrer Zeit so etwas wie ein Popstar, und ist es für viele ÖsterreicherInnen noch heute. Wie genau sie aber tatsächlich aussah ist uns dabei gar nicht so klar. Das einzige, an dem wir uns heute festhalten können, sind ihre Haare und der Schmuck, den sie trug. Man kann annehmen, dass man die nicht inszenierte Sissi ohne ihre typischen Attribute auf der Straße heute gar nicht erkennen würde – ein Charakteristikum für unsere Wahrnehmung eines leeren, äußeren Images.
Das Image der Kaiserin war aber nicht nur schön, sondern ihr Charakter auch stark und rebellisch, was sie für Maximilian Otte um so interessanter machte. Sie war, wie die meisten Stars, die Otte für seine Bilder auswählt, eine willensstarke Frau. Sie tätowierte sich, nahm Drogen, verfolgte ihre persönlichen Ziele und ordnete sich nicht immer unter, wie es von ihr erwartet wurde. Während der Auseinandersetzung mit Sissi und mit Porträts der Kaiserin fiel Maximilian Otte auf, dass Sissi – im Unterschied zu seinen Modellen des 20. Jahrhunderts – nie lächelte. Bis heute weiß man also nicht, wie sie lächelnd aussah. Und das wohl nicht nur deshalb, weil sie ihre für sie nicht als schön empfundenen Zähne nicht zeigen wollte. Wie bei so manch anderen historischen oder zeitgenössischen „Stars“, gibt es auch bei Sissi gegenüber dem Image auch eine traurige und schwierige Seite ihres Lebens. Sie war magersüchtig, verlor ihren Sohn und war unglücklich verheiratet – doch dies passt alles nicht in das oberflächliche, schöne Image, das sie zeigen wollte – und sicher auch sollte. Gerne hätte Otte ihr positives Image unterstützt und sie doch auch etwas lächelnd gezeigt. Aus Mangel an Quellen aber wohl auch aus intuitivem Respekt vor Sissi und ihren Entscheidungen verzichtete er darauf. Und so fehlt auch in Ottes Gemälden das Lächeln von der wohl bekanntesten, populärsten österreichischen Ikone.
Aufgabe der Kunst bei Maximilian Otte
Es ist heute etwas Besonderes, wenn sich ein Künstler vornehmlich mit scheinbar unproblematischen Themen auseinandersetzt. Er wirkt mit seiner Kunst der Tendenz zum Negativen und zur Melancholie, die man auch vermehrt in der Wiener Kunstszene antrifft, mit seinem positiven Blick auf die Welt entgegen. Maximilian Otte findet das Leben schön. Es ging ihm gut und es geht ihm gut. Nicht aus Naivität, Gleichgültigkeit oder Egoismus, sondern vielmehr als Reaktion auf persönliche Erfahrungen bevorzugt er den positiven Blick auf das Schöne und Gute im Alltag – mit Oberflächlichkeit hat das nichts zu tun.
Ottes Kunst hinterfragt darüber hinaus, ob Kunst überhaupt die Rolle von Politik oder Sozialengagement übernehmen soll oder kann und ob KünstlerInnen sich immer derart engagieren sollten oder dazu überhaupt in der Lage und alle KünstlerInnen überhaupt immer fähig dazu sind. Qualität, Professionalität und auch der Effekt von politischer und sozialer Arbeit in Kunstwerken sollte zudem auch stets in diese Diskussion eingebracht werden. Ob Politik und gesellschaftliche Themen innerhalb der Kunst oder bei KünstlerInnen immer notwendigerweise zu verorten sind, ist mindestens auch eine Frage des verwendeten Kunstbegriffs. Maximilian Otte zählt sich mit vielen anderen zu jenen KünstlerInnen, die in ihrer Kunst das Schöne und Ungezwungene katalysieren, das im zynischen Blick auf die reale Welt all zu leicht verloren gehen kann. Jedenfalls spricht Otte dem Schönen, dem Ornamentalen, dem Dekorativen, dem Oberflächlichen, dem positiven Zugang und Erlebnis vehement einen ebenso wichtigen Platz in der Kunst zu, wie anderen künstlerischen Ansätzen. Was wäre die mittelalterliche Buchmalerei ohne Dekorationselemente, was das Rokoko ohne Rocaillen, was der Historismus ohne Ornament, was der Jugendstil ohne sein ästhetisch-florales Stildekor? Für Maximilian Otte hat Dekoratives und Schönes grundsätzlich, weder damals noch heute, etwas Positives oder Negatives, sondern übernimmt lediglich eine künstlerische Funktion und Möglichkeit.
Er selbst empfindet seine Arbeiten eher als harmlos. Dass sich jemand in der Auseinandersetzung mit seiner Kunst ärgern kann – was gelegentlich auch geschieht –, versteht er nicht. Für ihn selbst sind seine Bilder eher konfliktbefreit und auch noch nicht einmal zu sehr dafür bestimmt, zu provozieren, selbst wenn sie wohl diesen Effekt gelegentlich haben, was heute immer noch in manchen Kreisen als positiv bewertet wird, was aber natürlich an sich hinterfragbar ist.
Mittels seiner Kunst wird die so weit verbreitete vermeintlich intellektuelle Auseinandersetzung von oft gar nicht allzu intellektuellen Personen karikiert. Über die vermeintliche Oberflächlichkeit der Bilder Ottes werden genau diese Zeitgenossen provoziert und herausgefordert. Wenn andere also irritiert sind, dass Ottes Werk auf den ersten Blick oberflächlich erscheint, so kann und muss man wohl erwidern, dass genau das wohl auf den ersten Blick auch so ist, weil es intendiert wurde. Vorsicht sei aber geboten, es lediglich dabei zu belassen oder gar diese Feststellung als vorschnelle Kritik der künstlerischen Position an sich in den Raum zu stellen, weil man sich dadurch den Blick auf das Wesentliche der Kunst Ottes, hinsichtlich Konzept, Technik, Stil und Beteiligung an einer offenen Diskussion über Zugang zur Kunst und der Welt verstellt.
Als Kunstrezipienten wurden wir in den letzten Dekaden stets dazu erzogen, hinter die Fassaden von künstlerischen Positionen zu sehen, immer zu schauen, was wir dahinter erkennen können. Anstatt sich nur auf das zu konzentrieren, stellt Maximilian Otte auch die oberflächliche Fassade an sich als gegebene Realität in den Vordergrund. Es wird nicht nur das Wahre hinter einer Fassade wird gesucht, sondern die Fassade als Wahres und wichtiger Teil innerhalb der Kunst zusätzlich anerkannt. Wie das Lächeln des Buddha reflektiert die Position Maximilian Ottes einen positiv annehmenden, augenzwinkernden Umgang mit Weltschmerz und Melancholie.
Der Edle hasst es in den Tiefen zu verweilen.
– Konfuzius
Gabriele Baumgartner (Kunsthistorikerin, Kuratorin): Maximilian Otte - Club Tropicana